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BCKategorie 21.09.2015 09:27:53 Uhr | städtisches Museum

Das Museum - Margarete Schraube und ihr Erbe

[(c): Städtisches Museum Halberstadt]
[(c): Städtisches Museum Halberstadt]

Im Herzen der Altstadt, versteckt im Hintergebäude eines großen altehrwürdigen Ackerbürgerhauses, liegt ein bei vielen Einheimischen nur unter der Bezeichnung "Schraube" bekanntes Museum.

Nein, Schrauben gibt es jedoch nicht zu sehen, aber erleben Sie Wohnkultur der Jahrhundertwende! Es ist das kleinste Museum in der Stadt, dennoch für das Auge das Reizvollste. Es beherbergt einen kleinen Schatz, den Schatz der Originalität einer Wohnungseinrichtung aus der Zeit um 1900.

Bis 1980 lebte in diesen Räumen Margarete Schraube, deren Familie einst ein blühendes Wäschegeschäft und eine Blaufärberei auf diesem Grundstück betrieben. Gutbürgerlich lebten die Schraubes, davon kann sich der Besucher in den einstigen Wohnräumen der Familie seit Eröffnung der Einrichtung 1985 überzeugen.

Bis ins kleinste Detail ist alles, was den Lebensraum dieser Familie um 1900 ausmachte, erhalten geblieben. Spüren Sie das persönliche Ambiente dieser Wohnräume, von der Guten Stube über die Küche der Jahrhundertwende bis zum im Original erhalten gebliebenen großen Saal.

Eine kleine Ausstellung zeigt die Vielfalt der Handarbeitstechniken und die Handarbeiten und Aussteuervielfalt eines gutbürgerlichen Mädchens um 1900. Diese Kostbarkeiten entstammen zu großen Teilen der Hand Margarete Schraubes.

Vor ihrem Tode entschied sich Margarete Schraube ihr Erbe der Stadt Halberstadt zu hinterlassen.

Margarete Schraube

Margarte Schraube wurde als zweites Kind von Franz und Anna Schraube am 21. März 1903 in der Voigtei in Halberstadt geboren. Ihr Bruder Franz Schraube jun. war 17 Jahre älter. Nach dem Besuch der Auguste Victoria Schule, dem Halberstädter Lyzeum (heute Käthe Kollwitz Gymnasium), erhielt sie im elterlichen Haus eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin, was ihre lebenslange Begeisterung, vor allem jedoch ihr enormes Können bei der Herstellung von Handarbeiten erklärt.

Doch Margarete wollte mehr als nur eine gute Hausfrau und Mutter sein. Sie machte mit 24 Jahren ihr Abitur und begann zu studieren. Von 1929-1934 studierte sie in Kiel, Berlin und Innsbruck Lehramt für Geografie, Sport und Geschichte.

In den ersten Jahren nach dem Studium arbeitete sie 1937/38 als Lehrerin in Salzwedel und Quedlinburg. 1938 erhielt sie an der Schule ihrer eigenen Schülerzeit in Halberstadt eine Stelle. Margarte zog nun wieder in den elterlichen Hof in die Voigtei und sollte bis an ihr Lebensende dort wohnen bleiben.

Ausgedehnte Reisen bildeten dabei den Gegenpol zur Standorttreue und rechtfertigen es, die eingefleischte Halberstädterin als Cosmopolitin zu bezeichnen. Anfänglichen Exkursionen und Kurzausflügen auf die Nordseeinseln, nach Dänemark oder in die Alpen, die sie im Rahmen ihres Studiums unternahm, folgten späterhin zahlreiche Italienfahrten, eine minutiös in Tagebüchern aufgezeichnete Kreuzfahrt übers Mittelmeer nach Griechenland und Nordafrika, mehrere Reisen nach Frankreich, Osteuropa und Asien. Die letztgenannten, meist mehrere Wochen dauernden Reisen, unternahm Margarete Schraube erst seit sie 1963 in den Ruhestand eingetreten war.

Ihre zweite Leidenschaft war das Schwimmen, seit sie mit sieben Jahren das nasse Element für sich entdeckt hatte, ließ sie die Begeisterung für den Schwimmsport nicht mehr los. Frau Schraube wurde eine national erfolgreiche Schwimmerin und Turmspringerin, machte im Rahmen ihres Studiums 1931 den SLRG Lehrschein und erneuerte nach dem Zweiten Weltkrieg diese Rettungsschwimmer Lehrberechtigung.

Margarte Schraube starb am 31. Mai 1980 in ihrer geliebten Heimatstadt Halberstadt.


Das Haus Voigtei 48 und die Familie Schraube

Die ältesten nachweisbaren Vorfahren Margarete Schraubes (1903-1980) waren der Dekan des Halberstädter Moritzstifts Christoph Schraube (*1645+1719) und dessen Frau Ursula Lucia Schraube (*1645+1728). Die Vorfahren stammten aus Cölleda, sie besaßen am Ort die Pulverhütte.

Über die Anverwandten, bis hin zu den Urgroßeltern, ist nichts verbürgt, bekannt ist lediglich, dass die Schraubes zeitweise in der Kühlinger Straße ansässig waren.

Die Ahnenreihe lässt sich erst mit den Großeltern Margaretes, dem Färbermeister Ludwig Friedrich Schraube (*1820+1914) und seiner Frau Auguste, geb. Kahmann, wieder aufnehmen. Sie unterhielten bereits vor dem Erwerb der Voigtei 48 eine Färberei in Halberstadt, wie Rechnungen aus den 1850er Jahren belegen.

Diese befand sich in einem Nebengebäude, auf dem Hinterhof der Voigtei 50, das durch einen Urahnen der Familie Schraube 1765 erworben wurde. Durch schräg verlaufende Grundstücksgrenzen grenzte diese erste Werkstatt direkt an die Voigtei 48 an, jenes Hofensemble, das der Großvater Friedrich Schraube dem Bierbrauer Schliephacke im Jahr 1863 abkaufte. Zu diesem Zeitpunkt existierte das Gehöft, das bis dahin als Wohnhaus, Lager, Brauerei und zeitweise auch Schnapsbrennerei genutzt wurde bzw. die Werkstätte eines Stellmachers beherbergte, noch nicht in der heutigen allseitig geschlossenen Form. Das ehemalige Brauereigebäude wurde von Familie Schraube grundlegend umgestaltet und einer neuen Nutzung zugeführt.

Der Färbereibetrieb ging 1881 an Friedrich Schraubes Sohn Franz (*1857+1933) über, der zusammen mit seiner Frau Anna Sophie, geb. Polland (*1864+1950) den Betrieb führte und weitere Um- und Ausbauten am Hof vornahm. So ließ er unter anderem zwischen 1888-90 den Anbau des nordöstlichen Seitenflügels errichten (heutiges Museum), so das sich das Ensemble des Hofes schloss.

Die Verpachtung bzw. gänzliche Aufgabe der Färberei muss zwischen 1913 und 1921 erfolgt sein. Verschiedene Nutzer übernahmen in der Folge das westliche Seitengebäude. Neben der chemischen Fabrik "Hercynia" eines Quedlinburger Apothekers waren zeitweise das Fahrradlager der Firma Leopold Bräutigam, das Lager eines Filmvorführers und eine Eierhandlung in den Räumen heimisch.

Der Bruder Margaretes, Franz Schraube, übernahm die Geschäfte des Vaters und führte sie bis wenigstens 1940 weiter. Das Wäschegeschäft existierte bis ca. 1955, kann aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von der Familie geführt worden sein.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Vorderhaus, das zuvor als Wohnhaus mehrere Generationen der Familie Schraube gleichzeitig beherbergt hatte, Flüchtlinge und Heimkehrer einquartiert. Margarete zog nun, zusammen mit ihrer Mutter, in den östlichen Seitenflügel, der den Saal beherbergte. Hier lebte sie bis zu ihrem Tode 1980.

Zwischen 1960 und 1977 mietete die PGH Tischler das Werkstattgebäude an, im Vorderhaus wurden die Wohnungen bis in die 1990er Jahre vermietet. Der Laden diente zeitweilig als Lagerraum für verschiedene Nutzer und ab den 1980er Jahren als Verkaufsraum der Konsum Altstadt-Drogerie.

Mit der Einrichtung des Kunstvereins im Haupthaus der Voigtei 48 wurden die ehemaligen Ladenräume ab 2002 zur Galerie umfunktioniert. Die Schraubes waren eine wohlhabende, gutbürgerliche Familie. Dass die Schraubes über ein eigenes Wappen verfügen versteht sich dabei fast von selbst.


Das Museum Heute

Das Schlafzimmer...

wurde 1997 nach der Sanierung dieses Bereiches eingerichtet. Die Möbel stammen von der Familie Schraube, einschließlich der Wäsche. Details zeigen in wunderbarer Weise das Lebensgefühl der bürgerlichen Familie um 1900. Vom liebevoll bestickten "Paradekissen", über den Stiefelknecht oder auch die Nachthaube oder auch das Waschgeschirr mit Nachttopf, Seifenschale etc., ist in diesem Zimmer viel zu entdecken.

Die Gute Stube...

gehörte zur Ausstattung jeder bürgerlichen Wohnung im 19. Jahrhundert. Sie ist geschmückt mit Bildern und Fotos von Familienangehörigen. Während der große Saal besonderen Anlässen vorbehalten blieb, fand sich in der „Guten Stube“ am Abend die Familie zusammen, musizierte und führte Gespräche.

Die Küche ...

mit historischem Eisschrank und Kohleherd ist museal umgestaltet und wurde mit Originalen und Nachbauten ausgestattet. Der Ofen stammt nicht von der Familie, er ist aus dem Bestand des Städtischen Museums, einer Schenkung aus Wegeleben. Eine Besonderheit ist die "hohe technische Ausstattung" für eine Küche der Wende zum 20. Jahrhundert mit einem Schnellkochtopf von 1910, einer spiritusbetriebenen Filterkaffeemaschine und einem Eisschrank . Eine große Anzahl an Bügeleisen - mit Bolzen ausgestattet - ergänzen den Hausrat.

Der Flurbereich...

ist museal mit Vitrinen umgestaltet. Dort sind die Dinge ausgestellt, die der Besucher sonst nicht sieht, da sie in Schränken verborgen sind - Geschirr und Zierrat der Familie Schraube mit Porzellan aus der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur in Berlin und aus Meißen, Bestecke aus Silber, teilvergoldet, mit den Monogrammen (MS = Margarete Schraube) oder AS oder AP (= Anna Schraube, Anna Polland - ihre Mutter) versehen und viele Dinge mehr.

Im vorderen Bereich ergänzen zwei Bilderrahmen die Eindrücke des Museums durch Fotoaufnahmen der Originaleinrichtung, der Familie und der letzten Bewohnerin, Margarete Schraube. Die anderen Bilderrahmen dokumentieren die Sammelleidenschaft von Frau Schraube. Keine Karte, kein Brief, kein Bild wurde vernichtet, alles wurde aufgehoben und verwahrt.

Der Salon...

ist das Prunkstück der Ausstellung.

Die Ausstellungsscheune

Die Scheune des Anwesens blieb Jahrzehnte ohne richtige Nutzung. Das Dach war marode, innen machten sich Nässe und Feuchtigkeit breit, sie fristete ein trauriges Dasein, wie so viele Fachwerkbauten in Halberstadt zu jener Zeit. Mit dem Jahr 1990 eröffnete die Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft ein Büro in Halberstadt, mit deren Hilfe erste Sanierungsprojekte in der Stadt in Angriff genommen werden konnten. Die Scheune auf dem Grundstück Voigtei 48 konnte durch eine neue Dacheindeckung gesichert werden.

Ende 2007 erklärten sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Ernst Ritter- Stiftung, sowie die Stiftung der Kreissparkasse Halberstadt bereit, den Ausbau der Scheune finanziell zu unterstützen. Hinzu kamen Gelder eines großzügigen privaten Sponsors. 2009 wurde zwischen allen Beteiligten ein Vertrag über das Vorhaben geschlossen und im Sommer 2010 begannen die Ausbauarbeiten.

Geschaffen wurde ein neuer Zugang zur „Altausstellung“ des Schraube-Museums sowie Ausstellungs- und museumspädagogischen Räume. Im September 2012 erfolgte die Eröffnung.

© Simone Bliemeister